Das Murnau-Filmtheater ist seit einigen Jahren eine regelmäßige Spielstätte für das erfolgreiche International Cycling Film Festival (ICFF) aus Herne. Freund*innen des Zweirads können sich auf ein vielfältiges Kurzfilmprogramm freuen. Durch den Abend führen wird Gernot Mühge vom International Cycling Film Festival.
Das ICFF wurde 2006 gegründet und zeigt Filme, die das Fahrrad zum Thema haben. Neben dem Murnau-Filmtheater findet es jährlich an etwa zwanzig weiteren Spielstätten in Deutschland, Polen, Kosovo und den Niederlanden statt. Das Festival wird vom Europäischen Büro für Filmkunst und Fahrradkultur e.V. in Herne organisiert.
Das diesjährige Programm des ICFF zeigt unkonventionelle Perspektiven auf das Fahrrad. Experimentelle Filme nutzen das Fahrrad als linienziehenden Pinsel, andere Filme zeigen das Rad als einen sommerlichen Zeitvertreib, als feministischen Fluchtort, vor allem aber als ein Spiegel einer gesellschaftlichen Schichtung. Gerade in diesem Punkt ist das Programm hochgradig aktuell, etwa, wenn es die Perspektive der Mittelschicht verlässt und die prekären Zonen der Gesellschaft auslotet, in denen das Fahrrad weniger Lifestyle, sondern Notwendigkeit in einem harten Alltag ist.
Der Fahrradklau und die Schichtung der Gesellschaft
Auf eine hintergründige Weise nimmt der Beitrag WHITE EYE vom israelischen Regisseur Tomer Shushan diese Perspektive ein. Der düster choreographierte Film dreht sich um ein gestohlenes, weißes Fahrrad, an dem die strukturelle Gewalt der Gesellschaft gegenüber einem modernen Subproletariat deutlich wird, hier illegalen Arbeitern einer Fleischfabrik in Tel Aviv. An deren Pforten wird das weiße Fahrrad wiedergefunden. „White Eye“ stand im vergangenen Jahr auf der Shortlist der Academy Awards.
Große und kleine Schleifen auf dem Rennrad
Zwei Beiträge des aktuellen Programms stellen das Rennrad ins Zentrum: Der liebevoll gezeichnete, sonderbar-freizügige kroatische Animationsfilm CYCLISTS holt das Publikum an die sonnige, dörfliche Adria. Dort träumen Rennrad-Champions von Anerkennung und Kopulations-Vorrechten, um die sie mit den männlichen Honoratioren des Ortes konkurrieren.
Sommerlich-leicht geht es im Film „Jeden Sommer, im Juli“ zu. Dort betrachtet Andreas Scheffer das Zuschauen bei der Tour de France vom Standpunkt eines Menschen, der die Große Schleife jahrelang professionell mit der Kamera begleitet hat.
Das Arbeitsleben auf dem Rad – Fahrradkuriere in Brasilien, Europa, Kanada
Das Fahrrad ist nicht nur Sportgerät oder individuelles Fortbewegungsmittel, sondern gewinnt auch als Arbeitsort an Bedeutung. Drei Filme des Festivals richten die Perspektive auf jene Menschen, die herbeigeklickte Pizzen oder Konsumgüter auf dem Rad an die Tür bringen. Der hochdekorierte Tanz- und Bossa-Nova-Film FANTASMA NEON, gedreht vom brasilianischen Filmemacher Leonardi Martinello, gibt ihnen eine Würde, ohne zu verhehlen, dass die Gesellschaft an Arbeits- und Lebensbedingungen für die prekären Schichten nur wenig Gutes lässt.
Das ganze Kurzfilmprogramm:
Weitere Informationen zum Festival gibt es hier.
In Kooperation mit dem International Cycling Film Festival und dem Radbüro Wiesbaden.
Bild: WHITE EYE © Tomer Shushan
In Kooperation mit...
INTERNATIONALES FESTIVAL DES FAHRRAD-FILMS IN WIESBADEN
Regie: diverse, DE u.a. 1993 - 2022, ca. 120 min (zzgl. 15 min Pause), digital, OmU, FSK: ungeprüft
Rahmenprogramm: Stände von Fahrradinitiativen
Filmbeginn: 20.15 Uhr