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Film

DER MÜDE TOD - INTERVIEW MIT ERNST SZEBEDITS

DER MÜDE TOD - INTERVIEW MIT ERNST SZEBEDITS

Durch Restaurierungen und Premieren von Klassikern wie METROPOLIS oder DAS CABINET DES DR. CALIGARI wird die Arbeit der Murnau-Stiftung für die Öffentlichkeit sichtbar. So auch das aktuelle Projekt DER MÜDE TOD. Mit Vorstand Ernst Szebedits sprach Horst Martin.

Warum ist die Digitalisierung und Restaurierung von DER MÜDE TOD aus Ihrer Sicht notwendig?    
Ernst Szebedits: „Nur durch die derzeit laufende Digitalisierung und Restaurierung lässt sich sicher stellen, dass dieser in vielerlei Hinsicht bedeutende Film heute und in Zukunft in allen gängigen Medien in guter Qualität gesehen werden kann. Damit sind auch die beiden großen Herausforderungen für alle, die das Filmerbe pflegen, exemplarisch auf den Punkt gebracht:
•    Wenn wir die Filme nicht jetzt digitalisieren, werden sie bald endgültig verschwunden sein.
•    Dabei müssen wir die heutigen technischen Möglichkeiten der Restaurierung nutzen, damit die ursprüngliche Qualität der Filme, auf der ihre Bedeutung beruht, wieder sichtbar wird. 
Bei DER MÜDE TOD, der zu den am meisten angefragten Titeln aus dem Bestand der Murnau-Stiftung gehört, geht es vor allem darum, den Film endlich in hochauflösender Form (2K) in der ursprünglichen Fassung verfügbar zu machen und für die Zukunft zu sichern. Nur so ist er für Kino, TV oder Bluray verwertbar.

Warum sollte man den Film heute noch sehen?    
„Persönlichkeiten wie Regisseur Fritz Lang oder der Produzent Erich Pommer haben das Kino bis heute geprägt. Sie sind aber nicht nur als Filmpioniere von Bedeutung, sondern auch wegen ihres außergewöhnlichen Könnens. Ganz persönlich muss ich hinzufügen: DER MÜDE TOD ist ein exzellenter Film, der den Zuschauer geradezu in sich hineinzieht. Daher freue ich mich sehr, dieses Meisterwerk durch die digitale Restaurierung bald mit den wunderbaren Färbungen der frühen Stummfilm-Ära und in guter Bildqualität sehen zu können.

Was ist die historische Bedeutung von DER MÜDE TOD?    
„Durch DER MÜDE TOD avancierte Fritz Lang bereits mit Anfang 30 zu den führenden Regisseuren. Der Film ist einer der Grundsteine zu seiner Weltkarriere. Ästhetisch, man denke an die expressionistische Bildsprache, und erzählerisch als volksliedhafte Parabel über die Liebe ist er beeindruckend. Auch das kunstvolle Schattenspiel, das später den Film noir prägen sollte, ist wunderbar.     
Für mich hat der Film aber auch eine wichtige zeitgeschichtliche Dimension: Wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg gedreht, ist er auch eine Reflexion auf die Traumata dieses Krieges und der Folgen. Es geht um eine junge Frau, die ihren Geliebten vom Tod zurück fordert.“

Warum sind Restaurierungen so aufwändig?    
„Für eine fundierte Restaurierung müssen viele Rädchen ineinander greifen: die Suche nach dem besten erhaltenen Filmmaterial, die wissenschaftliche Arbeit mit Sekundärquellen, die kuratorische Arbeit sowie die technische Umsetzung. Kompetenz und Erfahrung sind dabei wichtig. Das Projekt ist bei unserer Restauratorin Anke Wilkening in besten Händen. Bei den technischen Arbeiten wie dem Scanning vertrauen wir in diesem Falle auf die Spezialisten von L’Immagine Ritrovata – Film Restoration & Conservation in Bologna.“

Aus welchen Archiven kommen die Materialien?      
„Die Stummfilme des Weimarer Kinos fanden weltweite Verbreitung. Daher kann sich die heutige Restaurierung nicht nur auf Archive in Deutschland begrenzen. Wie bei dem sensationellen METROPOLIS-Fund in Argentinien können längst verloren geglaubte Materialien überraschend in anderen Teilen der Welt auftauchen. Das darf man aber nicht dem Zufall überlassen. Durch unsere langjährige Zusammenarbeit mit vielen Partnern in der ganzen Welt verfügt die Murnau-Stiftung über ein starkes Netzwerk und arbeitet mit diesen Partnern eng zusammen. Für DER MÜDE TOD wurden Materialien bzw. Quellen unter anderem aus den USA, Belgien, Tschechien, Russland, Frankreich und Deutschland einbezogen.“

Bei Premieren und Aufführungen erlebt man als Zuschauer, wie Stummfilme und Stummfilmkonzerte auch heute noch faszinieren. Warum werden nicht mehr Filme digital restauriert?    
Um es klar zu sagen: Aus ihrem laufenden Betrieb kann die Murnau-Stiftung, die trotz ihrer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe immer noch keine dauerhafte Förderung bekommt, keine Filme restaurieren oder digitalisieren. Hier ist in erster Linie die Politik gefordert, wir werben aber auch bei der Wirtschaft um Unterstützung. So ermöglicht das Medienhaus BERTELSMANN als Hauptsponsor die digitale Restaurierung von DER MÜDE TOD. Wie bei der preisgekrönten digitalen Restaurierung von DAS CABINET DES DR. CALIGARI wird durch diese finanzielle Unterstützung das Projekt überhaupt erst möglich.

Was ist der Stand der Politik?    
Der Bund, und hier insbesondere die Kulturstaatsministerin Frau Grütters, nimmt zunehmend dieses dringende Thema zur Kenntnis. Die Koalitionsvereinbarung mit einem Bekenntnis zur Digitalisierung des Filmerbes und das Eintreten von Kulturstaatsministerin Monika Grütters weisen in die richtige Richtung. Die Förderung im Rahmen der  Digitalisierungsoffensive, für die auch Mittel für die Digitalisierung von DER MÜDE TOD verwendet werden, ist ein Einstieg.     
Sollte es bei dem jetzigen Umfang bleiben, im Falle der Murnau-Stiftung sind das ca. 10 Digitalisierungen pro Jahr, bleibt es aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn: Alleine die Murnau-Stiftung hat insgesamt fast 6000 Titel in ihrem Bestand.     
Es muss also eine systematische Digitalisierung und Restaurierung zur Sicherung des analogen Filmmaterials auf eine tragfähige Förderschiene gebracht werden. Der jetzige Vorschlag aus der FFA-Studie, ausgeführt von der Beratungsfirma PriceWaterhouseCooper, bestätigt die seit langem bekannten Kalkulationen der Archive und Stiftungen. Die derzeit diskutierte Formel „10 Millionen pro Jahr auf mindestens 10 Jahre“ für die Digitalisierung des Filmerbe könnte ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung sein. Umso wichtiger ist es, dass dies tatsächlich schnellstmöglich umgesetzt wird.

Szebedits

Ernst Szebedits
Vorstand der Murnau-Stiftung

Foto: Uwe Dettmar