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Film

ZUR CHRONIK VON GRIESHUUS IM HR-SENDESAAL

17. Oktober 2014 - In der Reihe "Musik und Film" des Hessischen Rundfunks ist der restaurierte Stummfilm ZUR CHRONIK VON GRIESHUUS (DE 1925) aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung zu sehen. Bei dem Stummfilmkonzert am Freitag, 17. Oktober um 20 Uhr im hr-Sendesaal wird die Musik des genialen deutschen Stummfilm-Komponisten Gottfried Huppertz gespielt. Dirigent des hr-Sinfonieorchesters ist Frank Strobel, der bereits mit den Huppertz-Kompositionen zu METROPOLIS und DIE NIBELUNGEN große Erfolge gefeiert hat. Bei der Veranstaltung kooperiert der HR mit ZDF/ARTE und der Murnau-Stiftung.

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Als spätes, naturalistisches Meisterwerk des filmischen Expressionismus gilt das 1923 bis 1925 entstandene Film-Epos Arthur von Gerlachs. Nach der gleichnamigen Novelle Theodor Storms inszeniert, lässt es die seelenvoll-wehmütige alte Ballade aus der norddeutschen Heide erwachen und verbindet mit ihr die Menschen (verkörpert durch Schauspieler wie die junge Lil Dagover, Paul Hartmann und Rudolf Forster) und ihre Schicksale zu einer eindrucksvollen Einheit. Gedreht in der Lüneburger Heide und auf dem Freigelände von Neubabelsberg, war der Film die zweite und berühmteste Kinodramatisierung des Berliner Film- und Theaterregisseurs. Die Außenbauten entwarf dabei kein geringerer als Hans Poelzig, der renommierte Architekt des I.G.-Farben-Hauses in Frankfurt. 

»Zur Chronik von Grieshuus« wurde nach der Uraufführung 1925 von der Ufa gekürzt und auch in zwei Kurzversionen in die Kinos gebracht. Die neue, umfangreiche Restaurierung der Murnau-Stiftung umfasst neben der Rekonstruierung der Urfassung auch die Rekonstruierung der originalen Filmmusik, die Gottfried Huppertz 1924 für das Epos parallel zu den Vorbereitungen zu seiner »Metropolis«-Musik schrieb.

Mit der Präsentation und Produktion dieser Musik setzt das hr-Sinfonieorchester dabei seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit ZDF/ARTE und der Murnau-Stiftung im Bereich der klassischen Filmmusik fort.

Fr_17.10.2014       
Hessischer Rundfunk | hr-Sendesaal | 20 Uhr 
Konzerteinführung »Zur Chronik von Grieshuus« | 19 Uhr

Zur Chronik von Grieshuus 
 Das frühe deutsche Stumfilm-Epos von Arthur von Gerlach in neu restaurierter Fassung mit der live gespielten rekonstruierten Originalmusik des »Metropolis«-Meisterkomponisten Gottfried Huppertz
Dirigent: Frank Strobel 

Karten: 18,– €      Tickets kaufen

Schüler/Studierende/Auszubildende bis zu 50 % Ermäßigung

Über den Film und die Restaurierung 
Von Anke Wilkening

Obwohl gleichsam zu den Großproduktionen und ästhetischen Höhepunkte der UFA gehörend, befindet sich ZUR CHRONIK VON GRIESHUUS (1923-25) heute im Schatten anderer Großproduktionen, die in der gleichen Periode entstanden, wie DIE NIBELUNGEN (1922-24) oder DER LETZTE MANN (1924). In den meisten Standardwerken der Filmgeschichte wird er erwähnt, doch wird er selten gezeigt und wenn, dann lediglich in Form einer gekürzten US-Version.

Ein Grund für das allmähliche Vergessen des Films mag darin liegen, dass der Regisseur Arthur von Gerlach weitaus weniger bekannt ist als Fritz Lang oder Friedrich Wilhelm Murnau. Als er im Premierenjahr des GRIESHUUS-Films im Alter von nur 49 Jahren starb, hinterließ er das schmale Oeuvre von zwei Filmen: VANINA-DIE GALGENHOCHZEIT (1922) und eben ZUR CHRONIK VON GRIESHUUS. Eine mögliche Regietätigkeit bei einigen Fern Andra Filmen ist nicht nachgewiesen.

Thea von Harbou, zu dieser Zeit neben Carl Mayer die wichtigste Drehbuchautorin der UFA, war für die Adaption von Theodor Storms Novelle verantwortlich. Die Popularität Storms während der 20er Jahre sowie seine Stellung als Heimatdichter waren zusammen mit der in der Heidelandschaft angesiedelten Geschichte aus dem 17. Jahrhundert über die Liebe eines Adligen zu einer Magd, den Bruderzwist um das väterliche Erbe und schließlich dem Brudermord ein willkommenes Material für eine Großproduktion der UFA. Es ist kein Zufall, dass von Harbou auch die Adaption der Nibelungenlegende besorgte. DIE NIBELUNGEN war das andere, gleichzeitig produzierte Großprojekt der UFA, mit der ZUR CHRONIK VON GRIESHUUS nicht nur das enorme Budget und die freie Hand für den Regisseur gemein hatte, sondern auch den nationalistischen Aspekt des Stoffs, gemäß der Absicht der Gründerväter der UFA, ein positives Deutschlandbild zu verbreiten.

Vor allem aber bezieht ZUR CHRONIK VON GRIESHUUS seinen filmhistorischen Stellenwert dadurch, dass er ein typischer Film der UFA unter dem Produktionsleiter Erich Pommer ist. Der Film fällt genau in die Stilrichtung, die Pommer als Verkaufsstrategie entwickelt hat, einer Mischung historischer und mysthischer Stoffe, dargeboten in einer stilisierten Inszenierung. Auf diese Weise suchte er kommerzielle Erwägungen mit künstlerischen Ambitionen erfolgreich zu verbinden.

ZUR CHRONIK VON GRIESHUUS erfüllt alle Merkmale dieser Produktionspolitik: In fast zweijähriger Drehzeit entstand der Film in den Studios der UFA in Neubabelsberg ebenso wie an Originalschauplätzen in der Lüneburger Heide. In Tagesberichten informierte die Presse über die Dreharbeiten und zeigte sich beeindruckt über den Aufwand mit dem die mittelalterlichen Bauten naturgetreu nachgebildet wurden. Die hier entstandenen Architekturen übertreffen selbst den hohen Standard der UFA: So wurden die Heideburg der Familie Grieshuus, die Kirche und das Gasthaus in voller Größe von den Architekten Robert Herlth und Walter Röhrig errichtet.
Auf der Besetzungsliste fanden sich neben UFA-Star Lil Dagover so etablierte Darsteller wie Paul Hartmann, Rudolf Forster und Gertrud Welcker.
Kein Geringerer als Fritz Arno Wagner übernahm die Kamera. Er hat die düstere Stimmung der Heide ebenso eingefangen, wie es ihm gelang, die massigen Bauten mittels gewagter Kamerawinkel hervorzuheben. Seiner Kameratechnik ist es zu verdanken, dass der Film nicht dem Kitsch von von Harbous Drehbuch, das sich auf die melodramatische Seite der Liebesgeschichte konzentriert, erliegt.

Mit anderen Großproduktionen teilt GRIESHUUS das Schicksal, von der UFA bereits kurz nach der Premiere am 11. Februar 1925 gekürzt worden zu sein. Unterschiedlich gekürzte und getitelte Versionen wurden sogar parallel vertrieben. Vermutlich aus kommerziellen Erwägungen heraus beabsichtigte die Ufa eine Konzentration auf die melodramatische Liebesgeschichte, was an dem Titel JUNKER HINRICHS VERBOTENE LIEBE deutlich wird.

Die Restaurierung versucht, sich dem ursprünglichen Charakter des Films wieder anzunähern. Grundlage war ein im Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin/ Koblenz verwahrtes Originalnegativ des Films. Ergänzend wurden ein Duplikat der US-Version, ebenfalls aus dem Bundesarchiv-Filmarchiv, sowie überlieferte Teile der Partitur von Gottfried Huppertz aus der Sammlung des Filmmuseums Berlin, herangezogen. Auf Grundlage dieser Quellen sowie der im Originalnegativ erhaltenen Einstellungsnummerierung der Cutter wurden im Laufe der Zeit entstandene Schnittfehler korrigiert. Fehlende Teile konnten durch die US-Version ergänzt werden.

Unter den im Originalnegativ vorhandenen Blitztiteln verschiedener Typografie, die offenbar für die alternierenden Versionen verwendet wurden, konnte mithilfe der Partitur die früheste Typografie identifiziert werden.

Die Restaurierung des Films fand 2004/ 2005 in Zusammenarbeit von Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden und Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin/ Koblenz statt. L`Immagine Ritrovata, Bologna war für die technische Realisierung zuständig.

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